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Monday, October 09, 2006

M. SCHENTULHEIT, Aus der Buchhaltung des Weinmagazins im Edfu-Tempel. Der demotische P.Carlsberg 409


This volume is the first edition of an 8.80 m long demotic account papyrus - one of the longest extant papyri. P.Carlsberg 409 provides detailed information on the delivery and distribution of wine at Edfu in the year 132/131 BC, i.e. the 39th regnal year of Ptolemy VIII Euergetes II. The edition contains a palaeographical and philological commentary as well as a study of the administration and economy of the Horus temple at Edfu in Upper Egypt.

Deutsch
P.Carlsberg 409 ist eine demotische Abrechnungsrolle aus dem Horus-Tempel in der oberägyptischen Ortschaft Edfu. Er enthält den Teil der Tempel-Buchhaltung des Jahres 131 v. Chr., des 39. Regierungsjahres Ptolemaios’ VIII. Euergetes’ II. Der Text dokumentiert die Einnahmen und Ausgaben des Weinmagazins des Horus-Tempels und ist sowohl inhaltlich als auch physisch - mit einer Länge von heute noch 8,80 m - eines der außergewöhnlichsten demotischen Dokumente. Der größte Teil der Rolle besteht aus den monatsweise aufgeführten Ein- und Ausgängen an Weinmengen. Unter den Einnahmen sind v.a. die Erntelieferungen aus den tempeleigenen Weingärten und Rückzahlungen von vom Tempel gewährten Darlehen in Naturalien zu nennen. Die Ausgabenposten sind um einiges vielfältiger. So wurden Hand¬werker und Arbeiter mit Wein entlohnt, er wurde gegen Bargeld verkauft, aber auch bei verschiedenen Opfern und Prozessionen benötigt. Besonders interessant ist, daß die namentlich genannten Handwerker am Bau des in der ptolmäischen Bauinschrift des Edfu-Tempels beschriebenen Pronaos beteiligt waren. Ein Teil der erhaltenen Textpassagen konnte in seiner inhaltlichen Bedeutung noch nicht völlig erschlossen werden. Vermutlich betreffen die Aufzeichnungen die (Steuer-)Abgaben von Pächtern der tempeleigenen Weinäcker.
Mit dieser Arbeit wird die Erstedition eines Textes vorgelegt, der in mehreren Punkten Besonderheiten und Schwierigkeiten aufweist. Dazu zählen das Fehlen von Paralleltexten, die Länge der Papyrusrolle und die durch die konservatorischen Maßnahmen ausgelöste Nach¬dunklung des Papyrusmaterials sowie seine starke Fragmentierung. Da die Konservatoren bei der Fixierung der Fragmente zwischen Klebefolien nicht auf die ursprüngliche Abfolge der Fragmente geachtet haben und teilweise sogar falsche Zusammensetzungen vornahmen, standen deshalb die Lesung und Übersetzung sowie die Rekonstruktion des Textes, d.h. die Zusammensetzung der Fragmente sowie die Darstellung des Textaufbaues im Vordergrund. Die Lesungen und Joins wurden während mehrerer Arbeitsaufenthalte (zuletzt September-Oktober 2003) vor Ort überprüft. Ein ausführlicher paläographisch-philologischer Kom¬mentar vervollständigt den ersten Abschnitt der Arbeit. Der zweite Schwerpunkt lag auf der Auswertung der im Text enthaltenen Informationen zu den ökonomischen Verhältnissen im Horus-Tempel, zur Prosopographie sowie zu den erwähnten Festen, Prozessionen und Opfern. Das Buch ermöglicht es sowohl Ägyptologen als auch Wissenschaftlern benachbarter Gebiete wie der Papyrologie und der Alten Geschichte, diesen Text als Quelle für weiterführende Arbeiten zur (Tempel-)Ökonomie und für prosopographische Untersuchungen zu rezipieren. Zahlreiche Indices erleichtern den Zugang und den schnellen Zugriff auf den Text und die Auswertung.

P.Carlsberg 409 ist eines der beiden längsten bekannten demotischen Rechnungsbücher und kann, auch aufgrund fehlender Parallelen, zum Wichtigsten gezählt werden, was es an solchen Texten in demotischer Schrift gibt. Doch da das Material aufgrund der konservatorischen Maßnahmen in wenigen Jahren unwiderbringlich verloren sein wird, drängte eine gründliche Bearbeitung des Textes, die ich in Absprache mit Prof. Dr. Kim Ryholt und Prof. Dr. Karl-Theodor Zauzich von 2001 bis 2004 im Rahmen meiner Doktorarbeit vornahm. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollten nun zusammen mit den Photos in guter Qualität veröffentlicht werden, damit etwaige Vorschläge der Fachkollegen zur Lesung möglichst noch am Original überprüft werden können. Hinzu kommt, daß eine weitere Abrechnungsrolle (P.Carlsberg 410) mit ca. 18 m Länge in der Papyrus-Sammlung Carlsberg magaziniert ist, die aus demselben Kontext wie P.Carlsberg 409 stammt. Allerdings ist ihr Erhaltungszustand weitaus schlechter, und sie wird nur im Vergleich mit der besser erhaltenen Rolle zu entziffern und zu interpretieren sein.

Source: WorldCat OCLC 64557414